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Animationstechniken: Klassik und Moderne vereinigt Das Team Tiny Inventions verbindet Techniken aus dem klassischen Puppentrickfilm mit moderner 3D-Animation und erzielt so einen einzigartigen Look.

Klassischer Stop-Motion-Trickfilm im Zusammenspiel mit moderner 3D-Animation: eine Kombination, die so manchem Anhänger der „reinen Lehre“ den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Für Ru Kuwahata und Max Porter, das Künstlerduo hinter dem Studio „Tiny Inventions“, stellt diese Verbindung jedoch eine sinnvolle und bereichernde Erweiterung ihrer künstlerischen Möglichkeiten dar. Beide hatten bereits ausführlich Erfahrung als Freelancer gesammelt, bevor sie sich entschlossen, mit Tiny Inventions ihr eigenes Studio zu gründen und ihre gemeinsame Begeisterung für klassische Stop-Motion-Animation und den Umgang mit analogen Materialien in Musikvideos, Kurzfilme und Auftragsanimationen einfließen zu lassen.

Nach einigen sehr erfolgreichen Projekten, unter anderem vielfach beachteten Musikvideos für die Band „They Might Be Giants“, trat das „Netherlands Institute for Animated Films“ an Ru und Max heran und bot ihnen die Teilnahme am „Artist in Residence“-Förderprogramm an. Ohne lange zu zögern sagten sie zu, zogen von Brooklyn in die Niederlande und begannen die Arbeit an ihrem Kurzfilm „Between Times“. Die Geschichte sollte von der Zeit an sich und der individuell unterschiedlichen subjektiven Wahrnehmung von Zeit erzählen. Ru und Max planten zunächst, „Between Times“ in der ihnen eigenen Weise analog umzusetzen. Doch mit einer für den Kurzfilm geplanten Spielzeit von 14 Minuten wurde schnell klar, dass sie diesen Arbeitsaufwand als Zwei-Personen-Team kaum würden stemmen können. So begannen die beiden Künstler, sich intensiv mit den Möglichkeiten von 3D-Software zu beschäftigen.

Jahre zuvor hatte Ru im Rahmen ihres Studiums einen Kurs über 3D-Animation belegt, den sie aber rückblickend als ‚abschreckend‘ bezeichnet. Als sie nun mit Cinema 4D in Berührung kam, war sie davon begeistert, wie intuitiv das Programm ist. „Die visuelle Benutzeroberfläche mit den Icons konnte ich mir schnell und einfach erschließen. Ich musste nicht hunderte von Befehlen lernen, sondern merkte mir die Icons, die für sich genommen schon das Wesentliche erklären!“

Die Arbeit an „Between Times“ begann aber wie die anderen Projekte von Ru und Max zunächst in der analogen Welt: Kulissen, Charaktere, Accessoires – kurz, alle Elemente des Films – entstanden aus Knetmasse, Farben, Sperrholz, Papier und weiteren Materialien. Während die Kulissen später tatsächlich als solche verwendet werden sollten, fand das Duo für die Charaktere und deren Animation einen neuen Weg. Nachdem Max die fertigen Figuren von allen Seiten fotografiert hatte, nutzte Ru die so entstandenen Aufnahmen, um in Cinema 4D authentische animierbare 3D-Modelle der Charaktere zu erstellen. Auch die Texturen wurden mittels Projection Painting in Bodypaint 3D aus den Fotos der Originalfiguren generiert.

Die Kulissen wurden im Studio aufgebaut, ausgeleuchtet und die vorab geplanten Kamerafahrten von Max Bild für Bild aufgenommen, während Ru die digitalen Versionen ihrer Charaktere im Computer animierte. Um die Elemente miteinander kombinieren zu können, wurden die grundsätzliche Geometrie der Kulissen im Computer noch einmal erstellt, so dass Ru beim Animieren immer die komplette Szene vor Augen hatte. Gerendert wurden im Anschluss jedoch nur die Charaktere.

Um die im Computer animierten Charaktere überzeugend und nahtlos in die real gefilmte Szene einzubetten, stellte Ru auch die reale Beleuchtung der Kulissen in Cinema 4D so exakt wie möglich nach. Statt GI zu verwenden, wurde in den 3D-Szenen ein Set von Farbflächen arrangiert, mit denen sich indirekte Beleuchtungseffekte nachbilden ließen. „Wir stellten fest, dass wir auch mit einer nur 90%igen farblichen Übereinstimmung überzeugende Resultate erzielen konnten. Wirklich wichtig waren die Schatten, deren Ausrichtung und Stärke. Die mussten stimmen“, erinnert sich Ru. „Ganz besonders, weil es letztlich die Schatten sind, durch die die digitale und die analoge Animation miteinander verbunden sind.“ Gerendert wurde schließlich mit Cinema 4Ds Standard-Renderer, das Compositing erfolgte in After Effects.

Keine HDRI-Beleuchtung, keine spezielle Renderengine – und trotzdem sieht man „Between Times“ an keiner Stelle an, dass es sich um eine Hybridanimation aus analogen und digitalen Elementen handelt. Rus und Max’ Liebe zum Detail und die aufwendige Produktion wurden bereits mit rund einem halben Dutzend Preisen bei verschiedenen Animationsfilm-Festivals ausgezeichnet.


Tiny Inventions Webseite:
http://www.tinyinventions.com