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Tiny Tortures Im neuen Flying Lotus-Video erhält ein amputierter Sportler einen künstlichen Arm. Cinema 4D sorgte für die Spezialeffekte!

Wenn es darum ginge, zwischen Chaos und Langeweile zu wählen, würde sich David Lewandowski immer für das Chaos entscheiden. Vielleicht war es dieser Aspekt seines Wesens, der ihn dazu bewog an einem so beklemmend surrealen Projekt wie dem Musikvideo „Tiny Tortures“ mitzuarbeiten, das für ein Stück des Musikers Flying Lotus entstand. Zu den enigmatisch anmutenden Klängen des Instrumentalstücks aus dem Album Until the Quiet Comes wird die Geschichte eines Baseball-Profis erzählt, der in einen schrecklichen Autounfall verwickelt war. Der Unfall kostete seine Frau das Leben und ihn einen Arm. Schier erdrückt unter einem Berg von Schuldgefühlen, sucht der Spieler Linderung durch verschreibungspflichtige Medikamente, die ihn aber nach und nach die Verbindung zur Realität verlieren lassen.

Steven Ellison (alias Flying Lotus) und Lewandowski sind über Twitter miteinander vernetzt. Als Ellison der Musiker mehr über das Thema Animation erfahren wollte, wiesen ihn viele seiner Bekannten auf Lewandowski hin, der dank seiner Arbeit an TRON: Legacy und Oblivion den Ruf eines 3D-Gurus im Allgemeinen und als Cinema 4D-Experte im Speziellen genießt. So begann die Zusammenarbeit zwischen Ellison und Lewandowski, in die sich der 3D-Experte nicht nur als Spezialist für die Effekte einbrachte, sondern das grundsätzliche Konzept des Videos mitentwickelte.

Als Lewandowski und Ellison sich trafen, entstand schnell eine enge Zusammenarbeit, die auch stark durch die gemeinsamen Vorlieben der beiden geschürt wurde: Kunst und asiatisches Kino, speziell japanische Animationsfilme. So auf einem gemeinsamen Nenner, begannen die beiden den Look des Videos in verschiedenen Motion- und Kamera-Testaufnahmen zu erarbeiten. „Ein wenig hatten wir beide die Befürchtung, dass das Thema und der Look des Videos zu düster werden. Aber es ist nun mal ein finsteres Stück, das eine besondere Art mitternächtlicher Reinheit ausstrahlt. Also haben wir es bei der unheimlichen Atmosphäre belassen“, erinnert sich David Lewandowski.

Elijah Wood ist ein gemeinsamer Freund von Ellison und Lewandowski und als ihn die beiden ansprachen, ob er nicht die Rolle des Baseballspielers in dem Video übernehmen wolle, musste er nicht erst überredet werden. Das Video beginnt damit, dass es Elijah auf dem Bett liegend zeigt. Um ihn herum die Indizien seines Unfalls und des Verlustes seiner Frau in Form von Genesungswünschen, Kondolenzkarten, Bildern und vielen Medikamenten. Unter dem Einfluss der Medikamente beginnt er zu halluzinieren, wie sich ein Wolke von Objekten aus der Unordnung erhebt, um sich mit seinem Armstumpf zu verbinden und einen neuen Arm zu bilden.

Das Konzeptdesign für den künstlichen Arm stammt von Ben Mauro, einem Mitglied des Teams freischaffender Künstler, die Lewandowski zur Realisierung dieses Projektes zusammengerufen hatte. Auch Dustin Bowser gehörte als VFX-Supervisor zu diesem Team. „Tiny Tortures wurde unter extremen Beleuchtungsbedingungen in einer halbdunklen Atmosphäre aufgenommen. Der Armstumpf wurde als Prothese aus Silikon gefertigt und dann mit Agisofts Photoscan in ein 3D-Modell umgesetzt. Dieses digitale Double wurde dann als Ansatzpunkt für das Modell des künstlichen 3D-Armes verwendet. Die Aufnahmen selbst sollten so dunkel wie möglich werden, um den Eindruck der überall lauernden Schatten zu maximieren.“

Um den 3D-Arm in der kontrastarmen Dunkelheit detailliert und passend zu beleuchten, erstellte Lewandowski ein spezielles Licht-Setup mit kombinierten Kontrollen. Diese Aufnahmen konnten dann mit den Realaufnahmen gemischt werden, ohne dass diese aufgehellt oder auf andere Weise angepasst werden mussten.

Die Bewegungen des künstlichen Armes wurden recht herkömmlich per Motion Tracking von Elijah Woods natürlichen Arm übernommen. „Allerdings mussten wir auch noch die Prothese des Armstumpfes integrieren. Das hat dazu geführt, dass wir dann in den fertigen Aufnahmen an den Stellen, wo die Prothese in das 3D-Modell überging, viele durchblitzende Pixel bereinigen mussten“, erinnert sich David Lewandowski.

Als technische Regisseure für Charakterdesign und Rigging waren Bret Bays und Patrick Goski im Boot, die dafür sorgten, dass der aus vielen Einzelteilen bestehende künstliche Arm gesteuert und animiert werden konnte. Auch das Zusammenwachsen, Verknoten, Verwinden und Verschmelzen der vielen Teile wurde mit einem Rigg gesteuert. Letztlich wurde das Modell dadurch so komplex, dass es sich nur noch langsam bedienen ließ. „Wir haben so viele verschiedene Assetts in dieses Modell eingebaut, dass wir letztendlich nur noch im Schneckentempo arbeiten konnten. An dieser Stelle haben uns Cinema 4Ds xRefs gerettet. Dadurch waren wir in der Lage, Proxies in niedrigerer Auflösung zu verwenden, was das Modell und die Rigg dann wieder bedienbar gemacht hat“, sagt Lewandowski.

„Ein Highlight des Videos ist die Szene, in der Münzen, Perlen und Schlüsselanhänger aus einer Glasschüssel scheinbar schwerelos aufsteigen. Patrick Goski hat für die Szene an die hundert verschiedene Animationen gemacht, um die Teile in der Form einer Doppelhelix aufsteigen zu lassen. Die Simulation hat er dann mit MoDynamics realisiert und so hinbekommen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Ohne Patrick und Cinema 4Ds Sculpting Tools wäre die Szene nicht möglich gewesen“, sagt David Lewandowski.


David Lewandowskis Webseite:
http://dlew.me