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Urschrei im Urwald Das Video zu Katy Perrys neuer Single sollte eine Hommage an das klassische Urwald-Abenteuerkino werden. Cinema 4D half beim Realisieren der Spezialeffekte.

Das neue Katy Perry Musikvideo „Roar“ mag wohl in der Studiolandschaft von Los Angeles entstanden sein, doch das merkt man dem Clip nicht an, der geradewegs so ausschaut, als sei er im finstersten Dschungel Afrikas aufgenommen worden. Tatsächlich mussten als Urwaldkulisse der Botanische Garten Los Angeles und das County Arboretum herhalten, Schauplätze die dann von den FX-Profis bei Mirada und Motion Theory mit dem nötigen Dschungel-Feeling aufgepeppt wurden.

Wie so oft, ein Projekt mit hochgesteckten Zielen und nur wenig Zeit: Knappe drei Wochen standen dem Team für die Filmaufnahmen, die Spezialeffekte und die Postproduktion zur Verfügung. „Wer es eilig hat, der sollte sich Zeit nehmen", sagte schon Konfuzius, und bei Mirada legte man deshalb zunächst einmal großen Wert auf genaue Planung: Welche Software verwendet werden sollte, wie die Pipeline auszusehen hat und vor allen Dingen, welche Artists (Freelancer und Inhouse) man mit dem Projekt betrauen sollte.

„Es sollte eine Hommage an Geschichten wie Jane of the Jungle werden, und um da die richtige Stimmung zu treffen, mussten die richtigen Artists an den Job gesetzt werden“, erinnert sich Jonathan Wu, seines Zeichens Kreativdirektor bei Mirada. „Die richtigen Werkzeuge sind wichtig, aber letztlich sind es die Artists, die die Werkzeuge benutzen und den Projekten Leben einhauchen!“

Trotz engem Abgabetermin wurde das ganze Projekt durch dem Umstand erleichtert, dass Mirada von Anfang an mit im Boot war und bereits im Konzeptionsstadium mitreden konnte. So hatte man die Möglichkeit, gleich von Beginn an zu sagen, was machbar war und was nicht. „Wir konnten gleich vor Ort über die Shots sprechen, die benötigt wurden, um die Geschichte zu erzählen“, sagt VFX Supervisor Michael Shelton dazu.

So waren Shelton und Wu dann auch beim Dreh vor Ort und konnten hier an den Entscheidungen mitwirken, um die Weichen für einen zügigen Arbeitsablauf zu stellen und für optimale Bedingungen für die Arbeit des Effektteams zu sorgen. „Wenn man so ein ambitioniertes Projekt wie dieses angeht, ist während der Dreharbeiten alles in Bewegung. Jede Entscheidung des Regisseurs ist nur ein erster Schritt auf einem Weg, der dann vom Effektteam mitgegangen werden muss. Bei diesem ersten Schritt dabei zu sein und mitzuhelfen, dass für den Rest des Weges keine Hindernisse geschaffen werden, ist für den reibungslosen Ablauf eines solchen Projektes unbezahlbar“, stellt Shelton resümierend fest.

Eine weitere Besonderheit des Projektes war der Einsatz von Tieren. Tiere am Set sind immer eine Unwägbarkeit! Michael Shelton merkt dazu an: „Tiere sind immer ein Unsicherheitsfaktor, weil sie wie Kinder nicht wirklich berechenbar sind! Bevor die Szene nicht im Kasten ist, weißt du nie, was das jeweilige Tier für eine Performance abliefert." An manchen Stellen musste deshalb in der Postproduktion massiv eingegriffen werden. Die Szene, in der Katy mit dem Tiger zusammen auftritt, wurde aus zwei separaten Plates zusammengestellt, für die beide Akteure gesondert aufgenommen und dann im Compositing-Prozess miteinander kombiniert wurden.

Für „Roar“ mussten 139 Shots mit Spezialeffekten kombiniert werden. Das Spektrum reichte von einfachen 2D-Animationen, Matte-Paintings, Partikel-Effekten die aufwendig im Compositing mit den Realaufnahmen, den Plates, kombiniert werden mussten. Die beteiligten Mitarbeiter arbeiteten zumeist in Teams, die sich Schritt für Schritt durch das Arbeitspensum arbeiteten und jedes Mal wenn eine Aufgabe abgearbeitet war, wurden die Aufnahmen zum nächsten Artist und damit zum nächsten Bearbeitungsschritt weiter gereicht.

Eine der spektakulärsten Szenen des Videos ist der Augenblick, wenn Katy zum ersten Mal ihren Urwaldruf, den „Roar“ ausstößt, der sich in einer glitzernden Wolke aus leuchtkäferhaften Partikeln manifestiert, die sich dann zum Abbild eines brüllenden Tigers formt, um schließlich in alle Richtungen auseinander zustreben. Um diese Szene richtig hinzubekommen, wurde zunächst recherchiert wie es aussieht, wenn wirkliche Glühwürmchen ihr Licht anschalten und dann wieder verdunkeln. Bei Mirada entschied man sich dafür, den Effekt mit Cinema 4D zu gestalten, denn es sollte möglich sein, auch im späteren Produktionsprozess Änderungen schnell, einfach und effektiv in die Szene einzufügen.

„Wir hatten eine ziemlich genaue Vorstellung, wie die Szene aussehen sollte, aber wussten auch, dass das fertige Bild nie so wird wie man es sich vorstellt und wir beim Erstellen mit Sicherheit würden Änderungen vornehmen müssen. Gerade weil Cinema 4D so schnell und einfach zu bedienen ist und man spielend leicht von MoGraph zu den Thinking Particles und X-Particles umschalten kann, haben wir uns entschieden, mit der Software zu arbeiten", erklärt Shelton. „So konnten wir quasi Szene für Szene entscheiden, mit welchem der Werkzeuge wir am leichtesten und schnellsten das gewünschte Ziel erreichen". Für die in der Umgebung umher schwirrenden Glühwürmchen verwendeten die Artists bei Mirada MoGraph, mit dem für die einfachen Partikel mehrere sphärische Bereiche als Ereigniszonen festgelegt werden konnten. Nach dem Einstellen einiger Parameter konnte so der passende Look erzielt werden, und beim Rendern mit Cinema 4Ds physikalischem Renderer und dessen Motion Blur wurde auch der gewünschte Lichtschweif für die einzelnen Würmchen erzielt.

Cinema 4D wurde auch dazu verwendet, die Szene vorzubereiten, in der sich ein Schwarm aus Glühwürmchen in der Luft zu einem Tigerkopf formiert. Hier gelangten Thinking Particles und X-Particles zum Einsatz. Der Aufbau der Szene war mit X-Particles ein Kinderspiel: Ein Volumen-Emitter, ein Attraktor und einige Deflektoren wurden benötigt, um das natürliche Aussehen eines Schwarms umherfliegender Glühwürmchen zu erreichen und sie zu einem bestimmten Bereich zu lenken. Sobald die glühenden Partikel in diesem Setup im Zielbereich angekommen sind, werden sie zerstört. An dieser Stelle trat dann Thinking Particles in Aktion. Vorgerenderte Bilder eines Tigers wurden verwendet, um Ursprung und Farbe für neu generierte Partikel festzulegen. So ließ sich auch die Farbintensität steuern, was dem Roar-Effekt eine sehr magische Wirkung verleiht. Mit After Effects schließlich wurde dann noch weiter an den Farben gearbeitet und zudem die Reflektionen im Wasser hinzugefügt.

Nachdem mit Cinema 4D der Look und der Ablauf der Szene festgelegt worden war, setzte das Mirada Team den eigentlichen Effekt mit Maya und Houdini um.

„Das erklärte Ziel Miradas ist es, spannende Geschichten zu erzählen“, sagt Jonathan Wu, „wobei es erst einmal einerlei ist, ob es dabei um ein Musikvideo, einen Werbeclip oder ein interaktives Projekt geht.“ Das Team von Mirada widmet allen Projekten die gleiche Aufmerksamkeit, „aber an einem hochkarätigen Projekt wie ‚Roar’ arbeiten zu können, ist schon etwas ganz Besonderes", gibt Wu unumwunden zu.

Sowohl der Song als auch das Video haben ihren Siegeszug angetreten und feiern auf Youtube und Vimeo einen Viewer-Rekord nach dem anderen. Das Mirada-Team jedoch ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus und ist schon dabei, ein neues Projekt umzusetzen: Eine interaktive Story aus der Feder von Bestsellerautorin Cornelia Funke!

Webseite Mirada:
http://mirada.com


Author

Meleah MaynardFreie Autorin/Redakteurin – Minneapolis, Minnesota