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Kye Young illustriert Comics mit Sprachsteuerung Arthrose bedeutete fast das Aus für Youngs Arbeit – bis sie Sprachsteuerung entdeckte.

Kye Young war 25, als sie ihren Job bei einer TV-Produktionsfirma kündigte und Comiczeichnerin wurde. Jetzt, fast 25 Jahre später, ist sie eine der bekanntesten Zeichnerinnen von Graphic Novels (Audition, Girl in Heels and Unplugged Boy). Und sie ist die Künstlerin hinter dem beliebten Webtoon, Love Alarm, eine schon lange laufende Serie über eine Welt, in der die Love Alarm-App Menschen benachrichtigt, wenn jemand in ihrer Nähe in sie verliebt ist.

Seit 2014 zeichnet Young die Episoden von Love Alarm. Dabei hat sie vor allem mit Cinema 4D gearbeitet. Vor kurzem jedoch musste sie eine Pause einlegen, denn in ihren Fingern wurde eine degenerative Arthrose festgestellt. Trotz der Diagnose wollte sie die Serie unbedingt weiterführen. Bei der Suche nach einem Weg, um dennoch weiterarbeiten zu können, entdeckte Young die Sprachsteuerung – und dass sie Cinema 4D auch auf diese Weise bedienen kann. So muss sie deutlich seltener mit Maus und Tastatur arbeiten. Auf Netflix ist seit Kurzem eine neue Love Alarm Live-Action-Serie zu sehen, die auf den Webtoons von Young basiert. Eine 2. Staffel ist bereits in Arbeit.

Heute erzählt uns Kye Young, wie sie ihre Geschichten über Teenager-Liebe im digitalen Zeitalter per Sprachsteuerung in Cinema 4D zeichnet. (Hinweis: Die Antworten wurden aus dem Koreanischen ins Englische übersetzt.)

Kye Young: Ich habe Ideen und Storyboards für Fernsehwerbung gemacht – eine Arbeit, die kreativ recht spannend war und deren Ergebnisse auch den Kunden gefallen haben. Aber trotzdem wollte ich eine Aufgabe, in der ich meine Kreativität voll und ganz einbringen konnte. Comics schienen mir das passende Vehikel zu sein, denn dort konnte ich von der ersten Idee bis zum Endprodukt alles selbst machen.

Meine Geschichten drehen sich um Liebe, also bilden Mädchen und junge Frauen meine größte Leserschaft. Ich bemühe mich, mit meinen Zeichnungen und Texten Geschichten zu erzählen, die den Leserinnen und Lesern gute Laune machen, denn das wiederum macht mir gute Laune.

KY: Zuerst habe ich 3ds Max verwendet. 2014, als ich mit Love Alarm begann, habe ich mir Cinema 4D beigebracht. Die Tutorials von Greyscalegorilla waren mir in der ersten Zeit eine wirklich große Hilfe. Cinema 4D ist recht intuitiv und mit kleinen Szenendateien einfach zu verwenden. Ich habe mich schnell in das Programm verliebt. Aber nach einer Weile begannen meine Finger weh zu tun. Die Schmerzen waren so schlimm, dass ich noch nicht mal mehr einen Mausklick machen konnte. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie ich ohne Maus in 3D arbeiten sollte. Damals hatte ich wirklich Angst, dass ich keine Comics mehr zeichnen können würde.

Ich habe verschiedene Alternativen ausprobiert: Pedalmaus, Stift, Stiftmaus und Makrotastatur. Aber ich war sehr enttäuscht. Keine der Möglichkeiten war so effektiv wie die Arbeit mit einer normalen Maus. Ich brauchte etwas, das intuitiver ist. Da sah ich, dass der Mac sogenannte Bedienungshilfen anbietet. Sie ermöglichen die Interaktion mit Elementen auf dem Bildschirm. Du kannst den Mac mit diesen Hilfen bedienen, etwa Schalter und Joysticks, oder mit einer Technologie, die Augen- oder Kopfbewegungen verfolgt. Als ich gesund war, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, diese Hilfe auszuprobieren. Aber dann habe ich dringend eine neue Möglichkeit gebraucht und sie funktionierte viel besser als erwartet.

KY: Es ist eigentlich ganz einfach. Ich habe den Shortcut mit „Sprache“ im Menü der Sprachsteuerung verbunden. Das heißt, ich wähle jetzt den Befehl oder das Menü mit meiner Stimme über das Mikrofon aus anstatt mit der Maus. Automator und AppleScript machen die Bedienungshilfen noch leistungsfähiger, aber BetterTouchTool bietet mehr Möglichkeiten zur Steuerung von Maus und Trackpad, daher verwende ich es, um die Gesten auszulösen. Das ist wirklich eine neue Dimension des 3D-Workflows. Auf meinem YouTube-Kanal kann man das sehen. Einige der Videos wurden live aufgenommen. Die Texte für die Zuschauer und die Sprachbefehle sind gemischt, das bedeutet, es läuft nicht immer wie beabsichtigt, aber trotzdem bekommt man einen guten Eindruck. Mir macht das echt Spaß, denn früher oder später wird es mir neue Türen öffnen.

Nach mehreren Versuchen entschied Kye Young, dass es am ergonomischsten ist, in ihrem Studio in Korea Sprachbefehle mit einem Trackpad zu kombinieren.

KY: Als Comiczeichnerin animiere ich eine Figur über ihr Rig Aber die Bezeichnungen des Rigs und die Hierarchie sind ziemlich komplex. Früher habe ich die visuelle Auswahl über Tastatur oder Maus verwendet, aber jetzt, wo ich alles geändert habe, sage ich einfach nur noch den Namen des Körperteils – damit ist die Auswahl schon getroffen. Ich sage zum Beispiel „rechte Schulter“, und schon wird die rechte Schulter der Figur automatisch ausgewählt. Damit der Sprachprozess in Automator funktioniert, habe ich ein Skript erstellt, mit dem ich die Figurensteuerung auswählen kann. Ich bin ja nicht sehr versiert mit AppleScript, aber ein echter Experte könnte ganz einfach viel mehr tun.

Zuerst habe ich die Sprachsteuerung nur als Alternative zu Maus und Tastatur gesehen, heute allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass das Betriebssystem der Zukunft viel stärker an menschliches Verhalten angepasst ist. Cinema 4D unterstützt verschiedene Shortcuts und Hot Keys, die ich recht einfach mit meiner Stimme verknüpfen kann. Mit der neuen Version R21 wurde es noch einfacher, die Bedienungshilfen in Cinema 4D zu nutzen, weil Mac OS die C4D-Menüs erkennt. Ich denke, dass wir in Zukunft natürliche Sprache genauso verwenden werden wie im Alltag.

KY: Es scheint, als ob es mehrere Charaktere gäbe, aber in der Tat verwende ich lediglich zwei generische Figuren, einen Mann und eine Frau. So kann ich sie relativ einfach verändern und die Serie fortführen. Ich erstelle die generischen Grundmodelle der Figuren in Cinema 4D und verändere dann ihre Gesichter, Frisuren und Kleidung mit XPresso und Pose Morph. Der wichtigste Schritt ist die Bewegung in den Gesichtern der Figuren. Jeder Schnitt des Comics wird in Szenendateien gespeichert. Das erleichtert mir die Arbeit, weil ich mich dann an den Thumbnails orientieren kann.

KY: Ich finde, YouTube ist das perfekte Medium für Cartoons und Comics. Den ersten Teil von Love Alarm habe ich als kostenloses Video hochgeladen, aber es war nicht speziell für YouTube konzipiert und daher auch nicht der optimale Match. Ich möchte einen neuen Comic machen, der von Beginn an auf YouTube zugeschnitten ist. YouTube hat mich zum Nachdenken gebracht, was Kunst heute eigentlich ist. Ich finde, der Prozess und die Reaktionen der Leser sollten Teil des Kunstwerks sein – und genau das macht YouTube möglich. Auch wenn ich Anfängerin in Bezug auf Sprachsteuerung bin, zeige ich diesen Teil des künstlerischen Prozesses live. Er gehört zu meiner Arbeit und ich möchte, dass die Zuschauer ihn sehen.


Author

Meleah MaynardFreie Autorin/Redakteurin – Minneapolis, Minnesota