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Riding the Retrowave Florian Renner im Gespräch über Projekte, die als Spielwiese beginnen und sich online überraschend weit verbreiten.

Der Münchner 3D-Artist und Grafikdesigner Florian Renner verbindet in seinen Arbeiten eigenständiges Design mit einer retro-futuristischen Ästhetik, die seit einigen Jahren ihren Platz in der heutigen Popkultur eingenommen hat. Dabei prägt der Kultstatus der 1980er Jahre nicht nur Netflix-Dauerbrenner wie Stranger Things und Games wie Cyberpunk 2077, auch die vom Sound der 80er beeinflusste Synthwave-Musik hat ihre eigene Fanbase im Web.

Wir haben mit Florian über seine vom 80er-Stil inspirierten Projekte und selbst entwickelten Tools zum Generieren von Stadt-Szenen und grafischen Mustern in Cinema 4D gesprochen.

Florian Renner: Meine Arbeiten kann man zwischen bezahlten und unbezahlten Projekten unterscheiden. Zu den bezahlten Projekten zählen Dinge wie Messearbeiten für Agenturen und (Architektur)-Visualisierungen, Bühnengrafiken und Storyboards. An meinen unbezahlten Projekten arbeite ich einfach für mich selbst, weil ich sie privat cool finde. Das sind zum Beispiel meine Animationen rund um das 80er-Jahre-Thema wie Retrowave. Hier spielt die Musik eine große Rolle und hat einen enormen Einfluss auf das Endergebnis. Durch meine unbezahlten Arbeiten werden immer wieder Kunden auf mich aufmerksam, die gerne mit mir zusammenarbeiten möchten.

Florian Renner: Eigentlich komme ich als Grafiker und Illustrator aus der Grafikschiene und wollte mich seit 2007 im Bereich Illustration selbständig machen. Ich habe damals in einer Agentur für Kunden wie Audi gearbeitet, für die ich zum Beispiel Messestände visualisiert habe, aber wollte irgendwann etwas anderes machen und an abwechslungsreicheren Projekten arbeiten. Um meine Illustrationen aufzuwerten, habe ich Cinema 4D gelernt. Die Arbeit mit Cinema 4D hat mir dann immer besser gefallen, weshalb ich mich stärker in Richtung 3D spezialisiert habe. Außerdem gibt es deutlich weniger 3D-Artists als 2D-Grafikdesigner und dadurch auch eine hohe Nachfrage im 3D-Bereich. Die Kombination von Grafik und 3D oder Illustration und 3D hat mich einfach immer fasziniert. Viele andere 3D-Programme erschlagen den User regelrecht mit ihrer Komplexität, aber Cinema 4D war von Anfang an wirklich benutzerfreundlich und man kann schnell schöne Ergebnisse erzielen. Das hat mir sehr gut gefallen.

Bei meinen ersten Arbeiten in 3D habe ich Objekte in Cinema 4D gebaut und dann in Photoshop ein Overpainting erstellt, da ich mich mit der Texturierung in Cinema 4D damals noch nicht auskannte.

Das war ungefähr 2008. Damals war ich mit der Qualität reiner 3D-Bilder noch nicht zufrieden, was mich davon abgehalten hat, meine Bilder komplett in 3D zu erstellen. Heutzutage erkennt man den Unterschied zwischen guten 3D-Renderings und 2D-Illustrationen allerdings nicht mehr, weshalb der 3D-Anteil meiner Arbeit stark zugenommen hat. Ich habe dann noch eine Weile in Agenturen gearbeitet und mich 2011 selbständig gemacht.

Florian Renner: Im Grunde genommen ist mein Video „Retrowave“ entstanden, weil ich das TurbulenceFD Plugin für Cinema 4D testen wollte. Zu diesem Zweck wollte ich ein Auto von A nach B durch den von TurbulenceFD erzeugten Nebel fahren lassen. Ich habe dazu das 3D-Modell eines DeLorean verwendet, das online kostenfrei erhältlich war, und damit etwas experimentiert. Zu dieser Zeit haben mich viele 80er-Jahre Intros und auch der Tron-Film von 2010 inspiriert, was den Look, der dabei herausgekommen ist, erklärt. Ich habe dann in Cinema 4D viele gefakte Spiegelungen auf dem Auto gesetzt und die Oberflächen so „clean“ gestaltet, um die Renderzeit trotzdem möglichst kurz zu halten. In Verbindung mit ein paar Farbanpassungen, Bewegungsunschärfe und Glow in After Effects sah das Ganze dann auch ziemlich cool aus.

Die Stadt, durch die das Auto fährt, habe ich mit dem Greyscalegorilla City Kit erstellt. Damit die Kanten der Häuser leuchten, habe ich die Ambient Occlusion Schatten im Leuchten-Kanal des Materials verwendet. Die Wireframe-Optik der Gebäude und des Autos ist mit dem Atom Array von Cinema 4D erzeugt.

Das Projekt hat damals wohl den Nerv der Zeit getroffen, was ich so gar nicht erwartet hätte. Ursprünglich war ich nicht einmal sicher, ob ich Retrowave überhaupt veröffentlichen soll. Ich habe das Video dann Anfang 2015 auf meinem YouTube-Kanal hochgeladen und wenige Tage später dem NewRetroWave-YouTube Kanal für einen Track zur Verfügung gestellt, wo es mittlerweile millionenfach aufgerufen wurde. Ich bekomme immer noch eine bis zwei Anfragen im Monat von Interessenten, die das Video gerne für alle möglichen Einsatzzwecke lizenzieren möchten, die im weiteren Sinne etwas mit den 80ern zu tun haben.

Florian Renner: Meine Vorliebe für reduziertes Design, grafische Formen und Dinge wie futuristische Computerdisplays spiegelt sich auch in Magnatron 2.0 wider. Die Stadt konnte ich mithilfe meines selbst entwickelten Random Building Generators diesmal deutlich filigraner gestalten als noch bei Retrowave. Sie enthält deutlich mehr Details und ich habe an quasi allen Stellen des Projekts mehr Aufwand betrieben. Es war mir wichtig, in Magnatron 2.0 mehr unterschiedliche Szenerien zu zeigen und eine eine Art „Story“ beziehungsweise Dramaturgie im Video zu haben. Darum „erweckt“ das Auto die Stadt gewissermaßen zum Leben und die Lichter gehen an, als es hineinfährt.

Die Landschaft am Anfang des Videos habe ich mit Worldmachine gestaltet, einer Software zum prozeduralen Generieren von Terrain. Außerdem habe ich für eine realistischere Fahrzeugphysik des Autos das C4D Drive Plugin verwendet: Während das Auto bei Retrowave nur einfach geradeaus gefahren ist, berücksichtigt C4D Drive auch die Beschaffenheit der Fahrbahn. So konnte ich das Auto mit ausbrechendem Heck um Kurven driften lassen und eine Federung simulieren.

Florian Renner: Auch wenn ich das 80er-Thema nicht überstrapazieren möchte, zieht es sich oft wie ein roter Faden durch meine Arbeiten. Ich habe eine Vorliebe für cleanes Design mit grafischer Formgestaltung, klaren Linien und reduzierten Interfaces, wofür sich das 80er Thema gut eignet. Ich mag es, alte Klassiker in retro-futuristischem Design neu aufzulegen und dabei bestimmte Gestaltungselemente beizubehalten, um den Charme des Originals zu bewahren. Das sieht man auch an meinen persönlichen Projekten, bei denen ich versucht habe, den C64 und den Gameboy mit einem Redesign in die heutige Zeit zu übertragen. Durch diese Projekte habe ich mehrere Anfragen für Produktvisualisierungen von Kunden wie Huawei und weitere Aufträge von Agenturen und Produktionsstudios wie der Sehsucht bekommen.

Florian Renner: Ich habe öfters Aufträge über die Visualisierung von Stadtszenen bekommen, beispielsweise für Messestände von Firmen wie Siemens. Dabei kam mir der Gedanke, dass es sehr hilfreich wäre, Gebäude automatisch in Cinema 4D generieren zu lassen, um meinen Workflow zu beschleunigen. Also habe ich den Random Building Generator in Cinema 4D mit Xpresso programmiert.

In diesem Tool konnte man die Grundform der Gebäude über ein Schwarz-Weiß-Bild festlegen sowie deren Breite und Höhe beeinflussen. Da das Tool parametrisch funktioniert, konnte ich damit sehr flexibel arbeiten und schnell zufällig generierte Stadtszenen erzeugen.

Allerdings hatte der Random Building Generator noch den Haken, dass die Fassaden der erzeugten Häuser komplett aus Geometrie bestanden. Jedes Fenster war also aus einzelnen Polygonen aufgebaut. Je höher ein Haus war, desto mehr zusätzliche Polygone musste der Generator aufgrund der vielen Stockwerke erzeugen. So hatte man schnell zu viele Polygone in der Szene und das ganze wurde irgendwann sehr speicherintensiv. Das Tool war also noch nicht für große Stadtszenen geeignet.

Dieses Problem habe ich bei meinem neuen Tool CityRig behoben, denn die Fassaden bestehen jetzt aus Texturen anstatt Polygonen. Dank der Lowpoly-Häuser sind jetzt auch große Stadtszenen möglich und man kann immer noch im Viewport navigieren, ohne dass der Rechner in die Knie geht. Ein weiterer Vorteil ist, dass man nur noch Texturen austauschen muss, um eine Fassade komplett neu zu gestalten. Man kann beispielsweise die Texturen der Fenster, Hausdächer oder der Reklametafeln einzeln austauschen. Außerdem ist es möglich, die Texturen und Displacement Maps einfach in Photoshop zu bearbeiten. Innerhalb von ein paar Minuten lässt sich mit dem Cityrig ganz einfach eine riesige Stadt generieren.

Als ich bei der Arbeit am CityRig nach einer Möglichkeit gesucht habe, um Hausdächer über Displacement Maps abwechslungsreich zu gestalten, ist die Idee zu einem weiteren Tool entstanden: Mit meinem Mograph/Xpresso-Skript Mantis kann man geometrische Muster erstellen und passend zum Rhythmus einer Musik animieren. Auch die Farben der Elemente können im Takt gesteuert und zum Aufleuchten gebracht werden. Das alles ist beispielsweise für die Gestaltung von VJ Loops und Musikvideos, aber auch für Interface-Design interessant. Generell spielt das prozedurale Generieren von Grafiken bei mir eine große Rolle und ich möchte mich in Zukunft mit zufällig generierten Musikvideos beschäftigen.


Author

Sebastian BeckerOnline Editor & Content Manager, Maxon