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SLICE – Produktvisualisierung scheibchenweise Die Visualisierung eines noch nicht existierenden Produkts verlangt ein flexibles und leistungsstarkes Tool: Cinema 4D!

Fundraisingportale wie Kickstarter sind ein guter Weg um Projekte an den Start zu bringen, die anderweitig niemals das Licht des Tages sehen würden. Eine solche Idee war auch Slice, ein auf einem Raspberry-Pi-Kern basierter Medienplayer. Five Ninjas, die Schöpfer des Slice, standen vor der Herausforderung, Menschen zur Finanzierung eines Stücks Hardware zu bewegen, das auch wegen seines Designs gekauft werden soll – ohne einen fertigen Prototypen zu haben. Das Team beauftragte deshalb Toby Pitman mit der Erstellung einer 30sekündigen 3D-Visualisierung in HD-Auflösung, die Funktionalität und Design des Players zeigen sollte.

Für Toby bedeutete dies, einen Medienplayer zu visualisieren und zu animieren, der zu dieser Zeit nur auf dem Papier existierte. Das Produkt war zwar vollständig entwickelt, aber noch nicht gebaut. Toby musste also einen Weg finden, die Grundfunktionen und das Aussehen des Geräts so überzeugend und ansprechend zu visualisieren, dass potenzielle Geldgeber auf Kickstarter das Projekt gerne finanzieren würden.

Toby erklärt die Rahmenbedingungen des Projekts so, „Alle Teile auf Maßstab zu bringen war das Wichtigste. Es gab viele verschiedene Bauteile wie die Festplatte, die Anschlüsse, die Rechnereinheit des Pi, die alle einzeln modelliert wurden und irgendwie auf das Mainboard passen mussten. Da es um ein echtes Produkt ging, wurden alle Bauteile maßstabsgerecht modelliert, damit sie nachher auch zusammenpassen.“

In der Praxis mussten dazu verschiedene Quellen kombiniert werden um die Maße der verschiedenen Teile zu bekommen. Toby bekam eine CAD-Datei vom Gehäuse, die er nach einer Retopologisierung nutzte um die Originalmaße als Referenz in sein Cinema 4D Projekt zu holen. Zusätzlich bekam er ein unbestücktes Original-Mainboard, das von Hand ausgemessen werden konnte. Die Pi-Rechnereinheit wurde ebenfalls manuell vermessen.

„Fast alle anderen Komponenten habe ich aus den Datenblättern der Hersteller rekonstruiert. Ich bekam die Artikelnummern der Teile, die verbaut werden sollten, suchte sie raus und bekam so die Maße. Für viele Bauteile gibt es technische Zeichnungen, die man als Referenz für das Modeling nutzen kann”, erläutert Toby.

Dann kamen die Cinema 4D Modeling Tools zum Einsatz. Toby fotografierte das Mainboard und zeichnete es in Adobe Illustrator nach um das Layout herauszuarbeiten. Das Ergebnis wurde in Form von Splines in Cinema 4D importiert und dort extrudiert. Auf die Frage, was der schwierigste Teil war, antwortet Toby: „Das war vermutlich die Festplatte, lustigerweise das Teil, das man nie wirklich sieht. Die meisten Parts waren relativ einfach hinzubekommen. Einige, wie zum Beispiel die Anschlüsse, sehen sehr komplex aus, weil sie aus so vielen kleinen Einzelteilen bestehen. Sie sind aber so winzig, dass man nicht wirklich ausmachen kann wie primitiv sie in Wirklichkeit modelliert sind. Der zeitraubende Teil war die Platzierung der Widerstände und Chips auf dem Mainboard. Ich war echt glücklich, dass ich nicht der arme Kerl war, der die Dinger in echt auf den Prototypen löten musste.”

Die größte Herausforderung war die Entscheidung, welches Tool in der kürzesten Zeit das beste Ergebnis liefern würde und hier macht sich solide Erfahrung beim Hard-Surface-Modeling wirklich bezahlt. Toby erklärt: „Für Teile wie Chips und Widerstände kannst du manchmal einfach Grundobjekte verwenden, ein anderes Mal musst du ewig mit dem Messer-Werkzeug herumstochern um die Details herauszuarbeiten. Ein gutes Verständnis von Edge-Flow und Topologie ist vermutlich das wichtigste Tool dabei. Aber auch einfache Tricks wie das Modeling mit eingeschalteter Symmetriefunktion sparen eine Menge Zeit.”

Nachdem er die UVs des Mainboards abgewickelt hatte, erstellte er mit Hilfe der hochaufgelösten Fotos des Mainboards in Photoshop die Farb-, Bump- und Specular-Maps für die Texturen. Am Ende bestand allein das Mainboard aus 300 Einzelteilen.

Viel Zeit sparte auch MoGraph, das bei der Vervielfältigung von Teilen wie LEDs zum Einsatz kam. Toby baute nur eine davon und verwendete dann den Objektmodus, um sie auf einfache Polygonstreifen zu klonen. Die eigentlichen Beleuchtungseffekte, ein wesentlicher Bestandteil des Werbefilms für das Slice-Projekt, wurden in After Effects hinzugefügt. Die Polygone in der Mitte der LEDs wurden aufgeteilt und einem Objektbuffer zugewiesen. Der Buffer-Pass wurde dann mit einem Matte-Layer maskiert, der in After Effects so entlang des Polygonstreifens animiert wurde, dass nacheinander jeweils ein Objekt ein- und ausgeblendet wird. Toby nutzte VC Optical Flares um einen einfachen, aber wirkungsvollen Lichteffekt zu erzeugen. Das Plug-in stellte er so ein, dass es auf den Luminanzwert der Objekte reagiert und ein Aufleuchten hinzufügt.

Um zu zeigen, was in der Slice-Box steckt, schwenkt die Kamera durch die Szene, während verschiedene Bauteile erscheinen. Toby gibt zu, dass Kameraführung nicht seine Stärke ist, Cinema 4D diesen Teil aber recht einfach gemacht hat: „Ich habe Camera Morph in Verbindung mit Target Tags benutzt um zwischen den verschiedenen Blickwinkeln, die ich einfangen wollte, zu schwenken. Camera Morph ist ein fantastisches Werkzeug, gerade für Leute wie mich. Ich habe für jede Kamera den Schärfepunkt festgelegt und als Tiefenpass rausgerendert. Den konnte ich anschließend in After Effects nutzen, um mit Lenscare einen Tiefenunschärfe-Effekt hinzuzufügen.”

Das Projekt gab Toby außerdem die Gelegenheit, ein Feature zu nutzen mit dem er noch nicht vertraut war. Er schloss ein Sammelsurium verschiedener Macs an seinen Hauptrechner an, einen iMac mit 3.4GHz i7 Prozessor, und nutzte Team Render um die Animation im Netzwerk zu berechnen. Das sparte eine Menge Zeit und funktionierte reibungslos. Leider stellte sich nach 35 Stunden Renderzeit heraus, dass er eine Überschneidung in der Geometrie übersehen hatte. Erfreulicherweise musste er aber nicht alles noch einmal rendern: „Zum Glück rendere ich PNG-Sequenzen. Ich musste also nur die störenden Frames bearbeiten und sie nochmal rendern, während ich schon am finalen After Effects Compositing gearbeitet habe.”

Toby bemerkt abschließend: „Je öfter ich Cinema 4D nutze, desto klarer wird mir was für eine Mörder-Software das ist.”


Author

Duncan EvansFreiberuflicher Autor – Vereinigtes Königreich