Mikroskopische Welten für das Semi Permanent image

Mikroskopische Welten für das Semi Permanent Für die visuell beeindruckende Titelsequenz des Semi Permanent Festivals 2018 ließ sich ein Team von Artists aus aller Welt vom Lebenszyklus mikroskopisch kleiner Organismen inspirieren.

Seit über 16 Jahren ist die dreitägige Design-Konferenz Semi Permanent ein Magnet für Artists aus aller Welt und erstklassige Gelegenheit für den Austausch von Ideen und Erfahrungen. Die Produktion der Titelsequenz für das Event ist jedes Jahr ein begehrter Job, da er große kreative Freiheit und die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit außergewöhnlichen Künstlern bietet.

Im Jahr 2018 leitete die in Hongkong geborene und in New York lebende Designerin Joyce N. Ho die Produktion der Titelsequenz unter dem Motto „Creative Tension as Inspiration“.

Als erste weibliche Regisseurin in der Geschichte der Konferenz stellte Ho ein Team aus 11 Artists zusammen, die über den gesamten Globus verteilt zusammenarbeiteten. Mitglied des Teams war auch Nidia Dias, die für ihre Arbeit an dem Projekt Cinema 4D, Redshift, After Effects und X-Particles einsetzte.

Wir sprachen mit Joyce N. Ho und Nidia Dias über die Entstehung der Titelsequenz und darüber, welche Rolle die Arbeit des deutschen Biologen Ernst Haeckel dabei als Inspirationsquelle spielte.

Joyce N. Ho: Jedes Jahr entstehen für das Semi Permanent Festival absolut atemberaubende Titelsequenzen von Designern, die ich wirklich bewundere. Ich dachte mir: „Wäre es nicht cool, wenn ich dieses Jahr die Titel machen könnte?“ Also schickte ich Murray 2017 eine E-Mail und erklärte ihm, dass ich sehr gerne die Titelsequenz machen würde. Ein paar Wochen später schrieb er mir, dass Framestore bereits die Sequenz für 2017 übernommen habe, aber ich gerne die Titel für das nächste Jahr machen könne. Da war ich total aus dem Häuschen!

Joyce N. Ho: Ich bin in Hongkong geboren und meine Familie zog nach Brisbane, Australien, als ich 4 Jahre alt war. Ich habe schon immer gern ferngesehen, und ich glaube, so wurde ich in die Zeichentrickfilme eingeführt, indem ich einfach nur einen Haufen Zeichentrickfilme sah und auch Dinge zeichnete und machte. Nach der Highschool besuchte ich die Queensland University of Technology mit dem Hauptfach Animation. Als ich jedoch das Motion Design entdeckte, wurde mir klar, dass das etwas für mich war.

Nidia Dias: Ich bin Designer und künstlerischer Leiter. Ich bin in Portugal aufgewachsen, lebe aber im Moment in Toronto. Ich habe schon immer gern gezeichnet, aber ich ging ein Jahr lang auf die Ingenieurschule, bevor ich merkte, dass es nicht ganz das war, was ich wollte. Also studierte ich drei Jahre lang Grafikdesign und entdeckte dann Motion Design. 2017 zog ich nach Kanada, um bei Tendril zu arbeiten.

Joyce N. Ho: Die Titel sollten kreative Spannung ausdrücken und Murray erklärte mir auch, was das Thema der Veranstaltung für ihn bedeutete. Nach unserem ersten Telefonat habe ich mir dann überlegt, wie man die Story am besten erzählen und gleichzeitig noch Raum für die Ideen anderer Artists lassen kann. Für die Titelsequenz im Jahr 2018 wollte Murray etwas Neues ausprobieren und es gab eine Partnerschaft mit Dropbox. Also fragten sie mich, ob ich nicht ein großes Kollektiv von 3D- und Motion Graphics-Artists, Designern und Musikern organisieren könnte. Ich sollte die Produktion der Titelsequenz leiten und das Team sollte über Dropbox zusammenarbeiten.

Ich wollte die Themen Wissenschaft und Natur in den Mittelpunkt stellen, weil sie so eine große Inspiration für mich sind. Also recherchierte ich ganz altmodisch in der New York Public Library und stieß dabei auf das Buch „Kunstformen der Natur“ von Ernst Haeckel. Darin gibt es wunderschöne Illustrationen von Mikro-Organismen, Algen und anderen Lebewesen aus dem Meer. Seine Arbeit hat mich wirklich fasziniert und ich wusste sofort, dass ich das ideale Referenzmaterial für das Projekt gefunden hatte. Also schrieb ich ein Treatment mit drei Akten: „Pushing / Pulling“, „Friction“ und „Release“. Ich habe mir überlegt, wie ich jeden Abschnitt visualisieren wollte, und habe dann Styleframes für jeden Akt angefertigt.

Diese Styleframes und ein passendes Musikstück sandte ich dann an verschiedene Künstler und fragte sie, ob sie an meinem Projekt mitarbeiten wollten. Zum Glück sagten etwa 90 Prozent zu. Ich gab ihnen genug Spielraum, um meinen Input frei zu interpretieren, und ermutigte sie, ihren eigenen Stil zu entwickeln, solange er zu der Farbpalette und meiner Vorstellung der jeweiligen Einstellung passte.

Joyce N. Ho: Die Titelsequenz zeigt eine mikroskopisch kleine Welt, die von Haeckels Illustrationen inspiriert ist. Der Zuschauer verfolgt in den drei Akten den gesamten Lebenszyklus der Organismen von der Geburt bis zu ihrem Tod. Im ersten Akt formen sich die kreativen Konzepte. Wir haben in 4K gedreht, also konnten wir hereinzoomen und der Kugel folgen, die aus Styropor bestand. Die digitale Kugel habe ich später eingefügt. Akt II steht für die Aspekte eines Projekts, die für Konflikte sorgen können, wie zum Beispiel Deadlines und Budgets. Die Reibung, die durch diese Faktoren häufig entsteht, habe ich durch das Prinzip der Zellteilung dargestellt. Nidia erstellte die erste Hälfte von Akt III, in welcher der Mikro-Organismus in seiner komplexesten Form dargestellt wird.

Nidia Dias: Ich sollte für das Projekt einen lebenden Organismus erstellen. Joyce gab mir einen ganzen Haufen Ernst-Haeckel-Referenzen und ich erstellte daraus einen 3D-Organismus, der wie eine Qualle aussehen sollte. Zuerst erstellte ich ein Animatic und führte vor dem Modeling Bewegungstests durch, um die Bewegung richtig hinzubekommen. Ich setzte MoGraph und verschiedene Deformer ein, um den Organismus lebendig wirken zu lassen. Die größte Herausforderung war allerdings, die Bewegung richtig umzusetzen.

Joyce N. Ho: Das Schwierige an den Tentakeln war, dass sie von der Seite super aussahen; aber als wir die Kamera über ihnen platzierten, hatten sie nicht die gewünschte Tiefe. Ich animierte sie in 2D mithilfe von Newton Joint (einem 2D-Physik-Simulator für After Effects) und dann fügte Nidia diese in die 3D-Aufnahme in Cinema 4D ein.

Nidia Dias: Joyce und ich haben gemeinsam an dem Tunnel-Shot gearbeitet, in dem alles so aussieht, als würde es in einen Wirbel gezogen. Ich habe X-Particles für ein paar Variationen des Tunnels benutzt, der die kleinen Kreise der vorherigen Aufnahme emittierte. Joyce konnte den malerischen Look des Tunnels anschließend in After Effects erzeugen.

Joyce N. Ho: Momentan bin ich als Freelancer tätig und arbeite an vielen verschiedenen Dingen. Ich bin auf Art Direction für Motion Graphics spezialisiert und leite gerne eigene Projekte. Aber auch Titeldesign interessiert mich sehr und ich möchte mich in Zukunft weiter damit beschäftigen.


Credits:
Direction and Production: Joyce N. Ho
Music & Sound Design: Ambrose Yu
Type Design & Animation: Worship Audio
Design & Animation: William Arnold. Nidia Dias, Joyce N. Ho, Somei Sun, Joel Watkins
Cinematography: Davy Evans
Edit: Alex Gee
Storyboard: Mercy Lomelin
Additional Animation: Hayato Yamane
Special Thanks: Murray Bell, Patrick Clair, Jonathan Kim, Dropbox


Author

Meleah MaynardFreie Autorin/Redakteurin – Minneapolis, Minnesota